Schneller analysieren durch mobile Messung
Kontrolle von Flüssiggasen direkt vor Ort

Unter Flüssiggas – auch als LPG (Liquified Petroleum Gas) bekannt – versteht man im allgemeinen Sprachgebrauch die Kohlenwasserstoffe Propan, Butan und deren Gemische. Zu dieser Gruppe gehört auch Propen, einer der wichtigsten Rohstoffe in der chemischen Industrie. Die geschätzte Weltjahresproduktion von Propen lag im Jahr 2000 bei rund 50 Mio. Tonnen.
Propen wird hauptsächlich zu Polypropylen und verschiedenen Oxidationsprodukten wie Butanol, Acrylsäure, Acrolein, Acrylester, Glycerol, Allylchlorid oder Epichlorhydrin verarbeitet. Aber auch zum Brennschneiden oder als Kältemittel wird das vielseitige Gas eingesetzt. Der Spezialchemie-Konzern LANXESS in Krefeld benötigt Propen vor allem zur Herstellung von Thymol und Menthol.
Propen, chemisch C3H6, ist ein ungesättigter Kohlenwasserstoff. Es ist ab -48 °C gasförmig. Das Gas ist schwerer als Luft, farblos, geruchlos, hochentzündlich, wirkt narkotisierend und bildet zusammen mit Luft explosionsfähige Gemische. Wie alle Flüssiggase wird es aus sicherheitstechnischen und ökonomischen Gründen zum Transport verflüssigt. Dafür wird es einem Druck von bis zu 20 Bar ausgesetzt.
Qualität muss sichergestellt werden

Was jedoch den Transport vereinfacht, ist für die Qualitätssicherung ein echtes Handicap. Da Propen bei Wegfall des Drucks sofort wieder in den gasförmigen Zustand übergeht, ist eine Probenahme aufwändig und schwierig. Trotzdem muss bei der Anlieferung im Werk sowohl die Identität des angelieferten Gases als auch seine Qualität überprüft werden, um die GMP-Konformität zu gewährleisten. 10 ml des Stoffes genügen für die notwendigen Laboruntersuchungen. Doch wie zieht man aus einem Kesselwagen mit einem Volumen von 110 m³ eine solch kleine Probe, ohne dass die Probe verunreinigt wird oder in der Luft verfliegt?
Zunächst werden zum Abpumpen Rohre angeflanscht. Zusätzlich wird für die Probenahme ein dünnes Rohr als Bypass gelegt. Das gesamte System wird anschließend auf Dichtheit geprüft. Danach wird die Gasphase abgelassen und das Rohr mit Propen geflutet. Über den Bypass wird dann die Probe gezogen. Diese wird anschließend ins Labor gebracht und analysiert. „Erst wenn Identität und Qualität eindeutig überprüft sind, kann das Gas entladen und in die Lagertanks gepumpt werden“, erklärt Dr. Lutz Heuer, Plant Manager bei LANXESS in Krefeld, das klassische Vorgehen. Dieser Vorgang dauert mindestens 1,5 Stunden. Kommt die Lieferung am Tage während der üblichen Arbeitszeiten im Werk an, kommt das Personal mit dieser Vorgehensweise gut zurecht. „Muss der Kesselwagen aber nachts oder am Wochenende entladen werden, zu Zeiten zu denen normalerweise kein Laborpersonal verfügbar ist, wird die Sache komplizierter“, beschreibt Heuer seine Motivation, nach einer einfacheren, schnelleren und kostengünstigeren Methode zu suchen.

Fündig wurde er bei der analyticon instruments gmbh in Rosbach. Das auf mobile Spektrometer spezialisierte Unternehmen kann mit handgehaltenen Analysatoren wichtige Analyseergebnisse laborunabhängig direkt vor Ort liefern. Grundsätzlich schien die Aufgabenstellung mit dem kleinen, mobilen Raman-Spektrometer „FirstDefender“ lösbar. Dieses Gerät wird normalerweise von Feuerwehren und vom Militär eingesetzt, um unbekannte Gefahrstoffe berührungslos direkt vor Ort zu identifizieren. Das Spektrometer ist dabei äußerst robust. Es ist wasserdicht, schlag- und sturzresistent, dekontaminierbar und nach US-Militärstandard 810 G zertifiziert. Eine Bedienung mit Handschuhen und im Schutzanzug ist problemlos möglich. Das Besondere: Die Spektrometer können durch transparente Verpackungen, wie industriell übliche Schaugläser einfach hindurchmessen. Somit wäre es möglich, die Identität von Propen noch als Flüssigkeit vor dem Abpumpen zu verifizieren. Diese Idee begeisterte Heuer. Bevor das Unternehmen seine Gaslieferungen so einfach und kostensparend direkt bei der Abfüllung überprüfen konnte, mussten die Parameter von Analysegerät und Messpunkt aufeinander abgestimmt werden.
Adaptionen für den Ex-Schutz vorgenommen
Um dieses Gerät auch für potentiell explosionsgefährdete Flüssiggase zu nutzen, mussten einige Software-Adaptionen vorgenommen werden. Dafür wurde der Hersteller der Instrumente, „Thermo Fisher Scientific“ in den USA mit einbezogen. Raman-Spektrometer sind systembedingt nicht EX-geschützt. Daran lässt sich auch nichts ändern, da der Laser prinzipiell eine Zündquelle darstellen kann. Der US-amerikanische Hersteller „Thermo Fisher Scientific“ begrenzte jedoch die Laserleistung des Raman-Spektrometers auf 150 mW um den Energieeintrag während der Messung zu minimieren. Damit wird die Zündenergie für Propen-Luftgemische nicht erreicht und der Laser ist keine Zündquelle mehr. Durch diese Begrenzung dauert die Messung zwar geringfügig länger, dafür wird den Sicherheitsbestimmungen genüge getan. Zudem ist das Gerät nur während des wenige Sekunden kurzen Messintervalls unter Energie, kann mit einem Kopfdruck ausgeschaltet werden und kommt nur in mit kalibrierten EX-Metern freigemessenen Atmosphären zum Einsatz.
Schauglasproblem wird durch Sonde beseitigt
Ein weiteres Problem stellen die Schaugläser dar. Durch die verwendeten druckfesten Schaugläser mit 16 mm Dicke konnte der Laser des Raman-Spektrometers bauartbedingt nicht hindurchmessen. Also musste ein Glas gefunden werden, welches etwas dünner ist, dabei dennoch resistent gegen Kohlenwasserstoffe ist, und trotzdem dem erforderlichen Behälterdruck standhält.
Da das Schauglas in den Flansch integriert ist, konnte die Nase des Gerätes nicht direkt auf dem Schauglas aufgesetzt werden. Deshalb wich LANXESS auf die Gerätevariante „FirstDefender RMX“ mit Messsonde aus. Allerdings musste das Glas jetzt so groß sein, dass diese Sonde auch aufgesetzt werden kann, ohne dass der Flansch die Messung behindert.
Probemessungen ergaben, dass Flüssiggase wie Propen, Butan, Butadien und andere jetzt durch die Schaugläser hindurch gemessen werden können. Ein Unterschied zur Messung im Probenröhrchen ist nicht feststellbar. Alle ohnehin bei Umgebungsbedingungen flüssigen Substanzen sind ebenso schnell durch das Schauglas analysierbar.
Zusätzliche Untersuchungen im Labor möglich
Seit 2013 prüft der Spezialchemie-Konzern LANXESS das angelieferte Propen nun direkt bei der Entladung. Die 50 cm lange Sonde des Spektrometers wird vom Entladepersonal auf das im Auslassflansch integrierte Schauglas aufgesetzt. Der große Vorteil: Die Identität des Gases wird noch im flüssigen Zustand direkt vor Ort geprüft. Die Rohrleitung wird nur bis zum Schauglas geflutet. Es muss keine Probe gezogen werden. Der Laserstrahl des Raman-Spektrometers durchdringt das Glas, analysiert den chemometrischen Fingerabdruck des Inhaltsstoffes und vergleicht ihn mit seiner integrierten Datenbank. Der Benutzer erhält innerhalb weniger Sekunden ein eindeutiges „Pass“ oder „Fail“. Analytisches Fachpersonal muss nicht vor Ort sein. Somit kann ohne Verzögerung mit dem Entladevorgang begonnen oder die Lieferung zurückgewiesen werden. Eventuell notwendige weitere Untersuchungen zur Qualitätsbestimmung können bequem im Anschluss zu den üblichen Arbeitszeiten mit bewährten Methoden wie NIR oder Gaschromatographie durchgeführt werden.